"HIGH-SCHOOL" Westfalen: Der Fachhandel für Drachen, Gleitschirme, Zubehör. Ausbildung, Reisen, Packservices.

Sebastian Ahrendt auf dem Weg zum Drachenflieger 2009 - 2011

 

Übungshang Holzhausen-Externsteine, 16.08.2009

 …und wieder schleppe ich keuchenderweise den Bergfalken den Hügel hoch – es ist der zweite Tag meiner Grundausbildung zum Drachenflieger – 35°C im Schatten, gefühlte 100% Luftfeuchte. Zähne zusammenbeißen heißt das Motto, während die Gleitschirmschüler schon ihre ersten kleinen Flüge von der Mitte des Übungshangs machen. Aber ich habs mir halt in den Kopf gesetzt – Gleitschirmfliegen kann ich immer noch lernen, wenn ich alt bin – durchhalten! Bisher begnüge ich mich mit kurzen Hüpfern und den ersten Versuchen, das Gerät vernünftig zur Landung rauszudrücken.

Am vierten Tag habe ich mich fast bis zum „Gipfel“ des Übungshanges hochgearbeitet und merke, dass sich die Schinderei der ersten Tage bezahlt macht. Wind peilen - Flugbahn frei – „Start frei“ von Udo über Funk und los geht’s! Zum ersten Mal ordentlich Luft unter den Füßen und ab in die liegende Position, sachte Schlenker fliegen, und schon nach ein paar Sekunden stehe ich wieder heil am Boden. Mir kommt es vor als wären es Minuten gewesen … was für ein tolles Gefühl! Die nächsten Flüge von oben verlaufen glatt, während die ein oder andere Landung dann doch noch auf den Bauch geht. Zumindest freue ich mich zu den Gleitschirmschülern aufgeholt zu haben, denn die müssen weiterhin von knapp oberhalb der halben Hanghöhe starten (dass das hauptsächlich an der miesen Gleitleistung des Bergfalken gegenüber den Gleitschirmen liegt, hab ich damals erfolgreich verdrängt).

 

Westerenger, 17.04.2010

Inzwischen nenne ich einen La Mouette Sphinx D mein Eigen. Auch das Gurtzeug ist neu, habe beides vor ein paar Wochen am Übungshang ausprobiert und mich über den Leistungszuwachs gegenüber dem Bergfalken erschrocken, genauso über das Gewicht…

Egal – heute ist der lang erwartete (und gefürchtete) erste Flug an der Winde, ich konnte in der vergangenen Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zudrücken, weil ich den Schlepp und Umklinkvorgang im Kopf gefühlte tausendmal durchgegangen bin. Letzte Anweisungen von Udo, und schon stehe ich mit weichen Knien am Seil. „Seil straff!“ „Jetzt liegt es an dir…“ denke ich. „Start!“ und ab geht’s. Drei schnelle Schritte, und weg ist der Boden. Auch das Umklinken klappt super. Ab jetzt geht’s deutlich steiler rauf, bis ich irgendwann kurz vor der Winde schon unter der Basis durchschaue. Komisches Gefühl. Abflachen, Beinzeichen, Klinken – FREI! Ein tolles Gefühl. Und schon höre ich Udo's Stimme im Kopfhörer schrebbeln „Links rum, links, weiter links – und geradeaus“ meine erste Kurve, und dann der erste Vollkreis. Udo lotst mich mal ruhig, mal auch etwas energischer per Funk durch die Landevolte, so das ich heil (wenn auch mal wieder auf dem Bauch) wieder am Startplatz ankomme. Erst jetzt wird mir so richtig klar, wieso Udo ab und zu mal etwas lauter am Funk wird – bei der ganzen Anspannung und Konzentration habe ich seine Anweisung zum Aufrichten gar nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn selbst dran gedacht. Nach weiteren drei Flügen bin ich mir sicher – diese Ausbildung zu machen war eine der besten Entscheidungen, die ich jeh getroffen habe – es gibt nicht viele Dinge, die mit der Freiheit beim Fliegen mithalten können.

 

Porta Westfalica, 11.07.2010

Es ist Samstagabend und Relaxen auf'm Sofa angesagt, bis um kurz nach acht das Handy klingelt. Udo. „Schnall den Drachen drauf und hol mich morgen früh um acht ab – ich hab Startleiterdienst und du deinen Erstflug an der Porta - wenn du willst.“ Sonntag Morgen, kurz nach halb zehn - wir stehen am Aufbauplatz vor der Wittekindsburg, und Udo macht die Rampe startklar. Noch liegt der Sphinx gepackt auf meinen Auto, als ich mich der Kante der Startplattform Richtung Rampe näher. „Da geht’s ganz schön steil runter“ stelle ich fest, der Abgrund am Rampenende ist ziemlich beängstigend. Ich erbitte mir bei Udo zehn Minuten Bedenkzeit. Nach zwanzig Minuten und ein paar stärkenden Worten seitens Udo und meiner Freundin Sabrina baue ich auf. Hätte ich mal nicht so lang überlegt, denn die ersten Spaziergänger mit Kindern treffen am Startplatz ein – Zuschauer sind ja was Schönes – immerhin bestaunen sie das, was du tust – und es macht einen irgendwie stolz. Aber beim ersten Flug von der Rampe?

Also hoch auf die Rampe, Drachen absetzen und noch einmal tief Durchatmen – „Stürzt der gleich ab?“ höre ich noch ein Kind seine Mutter am Geländer neben der Rampe fragen. Sowas braucht man.

Egal, volle Konzentration – die Zuschauer ausblenden und loslaufen. Kaum sind die Beine im Gurtzeug frage ich mich , wieso ich mir eigentlich so einen Stress gemacht habe. Halb so wild, ich weiss doch, wie es geht. Udo dirigiert mich mit ein paar kurzen Kommandos näher an den Hang in der Hoffnung dass, es mich ein bisschen trägt, aber der Wind ist kaum stark genug für einen Nullschieber.  Nach dem dritten Vorbeiflug an der Wittekindsburg ists aufgrund des nur mäßigen Aufwindes und leichter Hemmungen, näher an den Hang zu fliegen, langsam Zeit, zum Landeplatz zu fliegen, an dem ich deutlich höher als befürchtet ankomme. Der Funkkontakt zu Udo ist mittlerweile abgebrochen, seine Stimme kommt nur noch zerhackt bei mir an. „Nicht schlimm“ denke ich, geht an der Winde sonst ja auch ohne. Ab in die Position, noch etwas Höhe abkreisen, zwei mal links rum und schon befinde ich mich im Endanflug auf den riesigen Landeplatz des DC Wiehengebirge. Gut, man hätte den Endanflug noch etwas niedriger ansetzen können, um weniger weit zum Abbauplatz laufen zu müssen, aber die 50m waren mir nach einer sauber eingeteilten und gestandenen Landung egal. Das Lob und die Einladung, gern häufiger dort zum Fliegen kommen zu dürfen, ausgesprochen vom stellvertretenden Vorsitzenden des DCW, Wilhelm Pehle, tat gut.

 

Castelluccio di Norcia, 28. 09.2010

Endlich Höhenflüge – zwar gab's auch an der Winde schon einige längere Flüge – aber Berge sind einfach was anderes! Das Programm für uns Flugschüler ist klar umrissen - Die zehn Pflichtflüge für die A-Praxis müssen her – ein bisschen im Hangaufwind turnen ist natürlich drin, aber Genussflüge gibt’s später! Trotzdem konnte ich es mir nicht nehmen lassen, am dritten Tag den hervorragenden Hangaufwind am Rifugio Perugia für einen ausgedehnten 1,5 Stunden-Flug zu nutzen. Als Udo mich nach einer halben Stunde per Funk an die Pflichtflüge erinnerte,  war die Entscheidung, diesen Flug bei herrllichsten Bedingungen auszukosten, schon lange gefallen. Nach meiner Landung konnte sich Udo ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen – er hätte es wahrscheinlich genauso getan… Die noch fehlenden Pflichtflüge konnten in den nächsten Tagen glücklicherweise trotzdem alle erfüllt werden.

 

 

 

17.10.2010 Steinhagen

Mein Geburtstag – von meiner besseren Hälfte Sabrina habe ich ein gerahmtes Bild von mir unter meinem Drachen geschenkt bekommen, mit einem Zitat von Leonardo da Vinci: „Wer einmal das fliegen erlebt hat, wird stets mit zum Himmel gewandten Augen umhergehen – denn dort wird er in Gedanken immer sein.“ Erschreckend wie war das ist ;)

 

19.07.2011 Freckenhorst

Schon vor zwei Monaten hatte Udo versucht eine Ausnahmeregelung beim DHV zu erlangen, so dass er mir die Praxisprüfung zum A-Schein abnehmen könnte. Ansonsten hätte ich für den einen wichtigen Flug einige hundert Kilometer Anfahrt auf mich nehmen müssen. Aber auch ein an den Dachverband geschickter Videobeweis stieß dort leider auf taube Ohren, Augen und Finger. Selbst nach mehrmaliger Nachfrage war man dort scheinbar weder in der Lage eine Entscheidung zu treffen, noch überhaupt zu antworten. Schade!

Glücklicherweise hatte eine benachbarte Flugschule einen Prüfungstermin auf dem Gelände der Skyrider Freckenhorst  angeschlagen, bei dem ein Prüfer zugegen war, der auch die Drachenprüfung abnehmen durfte.

Nach dreimaligem Aufschub des Termins wegen schlechtem Wetter sollte es am 19.07.2011 dann soweit sein. Innerhalb von kaum mehr als fünfzehn Minuten füllte ich den Theoriefragebogen aus – volle Punktzahl – hatte sich das Lernen wohl doch bezahlt gemacht! Kaum hatte ich mein Gerät aufgebaut, fing es dann an zu regnen - sollte es wieder nichts mit der Prüfung werden? Schließlich wollte ich doch im Herbst wieder mit nach Castelluccio, und das möglichst nicht noch einmal als Schüler. Eine halbe Stunde später war der Regen vorbei, also Handtuch raus, Drachen trockenlegen. In der Zeit wurde die Winde aufgebaut und die ersten Gleitschirmprüflinge (ich war mal wieder der einzige bekloppte Drachenflieger) legten ihre Schirme aus.

Drachen gecheckt, Gurtzeug an, eingehängt, Liegeprobe – und da waren Sie plötzlich wieder, die weichen Knie. Vor dem Flug selbst hatte ich keine Angst – war ja bei weitem nicht der erste. Aber die Landung, bzw. das Landefeld - 80 x 80 Meter - klingt groß und sieht am Boden auch groß aus, kann aber im Anflug klein wie eine Briefmarke werden, vor allem mit dem Hintergedanken durchzufallen, sollte man es nicht treffen.

Der Flug selbst war dann reichlich unspektakulär. Im Vergleich zu den meisten Gleitis bescherte mir der Windenführer und Flugschulleiter M. mit Ansage eine für Nullwind außergewöhnlich gute Ausklinkhöhe – und ich hatte mir vorher fast ins Hemd gemacht - bei dem Wind würde ich nie genug Höhe für Prüfungsfigur und Landevolte erreichen. Ausgeklinkt - rechts rum – einmal gepeilt – reicht dicke! Also ab in die zwei schnellen Vollkreise und dann Richtung Position. Vielleicht hätte man noch einen Positionskreis wagen können, aber mir schien eine ausladende Volte sicherer, allein schon um im Endanflug alle Zeit der Welt zum Aufrichten und Geradelegen des Gerätes zu haben. Zu oft hatte ich in der Ausbildung die Landungen durch Stress im Endanflug dahin vermasselt. Warten, warten, warten – RAUSDRÜCKEN….aufgesetzt. Jetzt nur noch das Gerät prüfungsgerecht auf der Basis absetzten und das war's.  Als ich mich Richtung Startplatz (und Prüfer) umdrehte, nahmen mir die in die Luft gestreckten Daumen des Prüfers und eines anwesenden Drachenfliegers der Skyriders Freckenhorst die Ungewissheit. Bestanden!